Die vielleicht innovativste Serie über ein literarisches Phänomen, Teil 7: Andreas Eschbach – der prominenteste Autor von Perry Rhodan im Interview

29. November 2024 – Er ist glühender Fan von Kindesbeinen an: Deutschlands heute erfolgreichster Science-Fiction-Autor Andreas Eschbach war schon immer fasziniert von Perry Rhodan und freute sich wie ein kleines Kind, als er 1998 erstmals als Gastautor einen Roman beisteuern durfte. So adelte er gleichzeitig die Serie, hatten Kritiker ihr doch immer wieder jede Qualität, ja ihre Daseinsberechtigung abgesprochen. Tenor: „Es gibt gute Science Fiction und es gibt Perry Rhodan.“ Jetzt aber schrieb ein Bestsellerautor an der Endlosgeschichte mit und holte Perry Rhodan damit endgültig aus der „Groschenroman“-Schmuddelecke.

Sieben weitere Hefte und zwei Taschenbücher sind inzwischen hinzugekommen – und natürlich sein 850-Seiten-Wälzer „Perry Rhodan. Das größte Abenteuer“, in dem Andreas Eschbach von Perry Rhodans Jugend erzählt, von seinem steinigen Weg zum Astronauten. Es ist ein regelrechtes Psychogramm des Sofortumschalters, das so einige seiner Charaktereigenschaften erklärt. Geschickt verknüpft der Autor seine Biografie mit Handlungsebenen viele Jahrhunderte später und führt gleich noch weitere Protagonisten ein, Perrys Freund und späteren Stellvertreter Reginald Bull zum Beispiel. Eschbach gelingt gar das Kunststück, Neil Armstrong unterzubringen und interagieren zu lassen: Im Perryversum ist er ebenfalls Astronaut, aber natürlich nicht der erste Mensch auf dem Mond …

Fazit: Ohne diese „Biografie“ Perry Rhodans ist die Serie einfach nicht komplett!

Das Interview mit Starautor Andreas Eschbach

CarpeGusta Literatur: Was fasziniert Sie persönlich an Perry Rhodan?

Andreas Eschbach: „Perry Rhodan“ ist nicht nur eine überaus fantasievolle und nie endende Abenteuergeschichte; es ist auch eine der wenigen positiven Zukunftsutopien, die wir haben. Wer lange genug mit Perry Rhodan im Weltall unterwegs ist, der sieht die Dinge hier auf Erden aus einer anderen, sagen wir, eher „intergalaktisch-globalen“ Perspektive. Oder kurz gesagt: Mich fasziniert, wie die Serie meinen „Fantasiemuskel“ jede Woche aufs Neue trainiert.

Wie erklären Sie sich den andauernden Erfolg über Generationen hinweg?

So ganz erklären kann das vermutlich niemand, zudem begründet sich der Erfolg inzwischen zum Teil schon in sich selber: nämlich darin, dass diese Serie zur mit Abstand umfangreichsten fortlaufenden Erzählung herangewachsen ist, die seit Erfindung der Schrift geschrieben worden ist. Aber eine Rolle spielt bestimmt, dass die Macher der Serie und ihre Leser von Anfang an im Austausch miteinander gestanden haben, dass man auf Leserwünsche und Missfallensäußerungen adäquat zu reagieren verstanden hat, kurzum, dass die Serie schon immer eine Art großes Gemeinschaftsprojekt von Autoren und Lesern war.

Wer ist Ihre persönliche Lieblingsfigur und warum?

Da muss ich passen; ich habe keine Lieblingsfiguren.

Wie schwer war es, vom Leser zum Autor zu werden und in die Fußstapfen von Clark Dalton und Karl-Herbert Scheer zu treten?

In diese Kategorie gehöre ich gar nicht; ich bin ja nur ein sogenannter Gastsutor: Ich werde ab und zu eingeladen, einen Roman beizusteuern. Und eingeladen wurde ich, als ich auf anderen Wegen schon ein ganz „normaler“ Autor im Bereich der Science Fiction geworden war – wobei auch dieser Weg bei Perry Rhodan begonnen hat, denn es war die Lektüre dieser „Heftchen“, die mich im zarten Alter von zwölf Jahren auf die Idee gebracht hat, mal selber was zu schreiben.

Ist es nicht fast unmöglich, immer wieder Neues im Perryversum zu erfinden?

Offenbar nicht, denn den Machern fällt immer wieder was Neues ein. Tatsächlich herrscht eher eine Überfülle von Ideen, aus denen sie auswählen müssen, weil man auch in so einer Riesenserie nicht alles unterbringen kann.

Wie kann man sich die Arbeit an einem Heft oder an einem Zyklus praktisch vorstellen? Die Abstimmungen untereinander müssen doch ziemlich zeitraubend und schwierig sein!

Richtig, so ein Mammutprojekt zu steuern, ist nicht leicht. Aber die Macher der Serie machen das schon seit über sechzig Jahren, und das erfolgreich! Denn egal, was passiert ist in der Welt, es ist jede Woche ein neuer Roman erschienen, ohne einen einzigen Aussetzer. Die Methoden und Abläufe sind also erprobt, bewährt und eingespielt. Und das merkt man auch als Gastautor.

Wie sehr können Sie Ihre persönlichen Ideen bei einzelnen Heften überhaupt umsetzen? Folgt heute immer noch alles einem großen Exposé für ganze Zyklen?

Ja, selbstverständlich gibt es eine übergreifende Planung und ein Exposé für jedes einzelne Heft, das die Randbedingungen festlegt, die der Roman erfüllen muss, damit er in die Gesamtgeschichte passt wie ein Puzzleteil ins Gesamtbild. Anders ging es ja gar nicht. Aber diese Randbedingungen lassen immer genug Raum, um eigene Ideen einzubringen. Kreativität lebt durchaus auch von Beschränkungen. Übrigens sind viele Figuren und andere Ideen der Serie aus dem entstanden, was Autoren in diesen Freiräumen eingefallen ist.

Auch bei meinem „dicken“ Perry-Rhodan-Roman, der nicht nur Rhodans Werdegang, sondern auch „Das größte Abenteuer“ schildert, den Aufbruch der Menschheit ins All nämlich, hatte ich es mit Randbedingungen zu tun: Auf der einen Seite die reale Geschichte der Raumfahrt, auf der anderen die Anfänge der Serie, wie sie Anfang der 60er-Jahre erzählt worden ist – und die Herausforderung war, einigermaßen nachvollziehbar von der einen in die andere Geschichte überzuleiten.

Oft verarbeitet die Serie – sozusagen nebenbei – gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Wie hat sich die Serie aus Ihrer Sicht diesbezüglich über die Jahrzehnte entwickelt?

Diese gesellschaftlichen und politischen Einflüsse auf die Serie sind eher nebenher eingeflossen, unbewusst, einfach, weil die Autoren eben immer Kinder ihrer Zeit waren. Aber ich bin überzeugt, dass sich das gesamte Seelenleben Deutschlands seit dem Jahr 1961 in der Perry-Rhodan-Serie abbildet; für Soziologen müsste die Serie eine wahre Fundgrube sein.

Was würden Sie rückblickend grundsätzlich anders machen, wenn Sie ins Jahr 1961 zurückreisen und Perry Rhodan vollkommen neu konzipieren könnten?

Nichts. So wenig, wie ich mich erdreisten würde, den Beatles irgendwelche Ratschläge für ihre Karriere oder ihre Musik zu geben. Allenfalls würde ich John Lennon raten, am 8. Dezember 1980 das Haus nicht zu verlassen …

Für wie denkbar, ja wahrscheinlich halten Sie eine Zukunft der echten Menschheit ähnlich wie im Perryversum? Wären die Menschen dazu überhaupt in der Lage?

Es hat weniger damit zu tun, ob wir Menschen dazu in der Lage wären oder nicht. Woran es mangelt, ist der Kontakt mit wohlwollenden Außerirdischen, die uns mit einer hoch überlegenen Technologie ausrüsten, wie es die Arkoniden bei Perry Rhodan getan haben. Und dass das passiert, damit ist eher nicht zu rechnen.

Schade … Trotzdem danken wir Ihnen für das Gespräch!

Tipp: Lesen Sie noch weitere Folgen aus unserer Serie „CarpeGusta Literatur meets Perry Rhodan“!

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