19. Mai 2025 – Wörter
sind mehr als nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Ihnen wohnt ein Zauber inne, der durch feingeschliffene Sprache das Gewöhnliche ins Einzigartige verwandelt. Oder anders ausgedrückt: Eine eingängige Melodie lebt von Rhythmus, Gefühl und ausgewählten Noten, die perfekt harmonieren. Sonst berührt Musik nicht. Der Wohlklang eines Textes ertönt durch denselben Feinsinn: Nur wenn das Herz und der Geist abgestimmt werden mit der Leidenschaft für Poesie, entstehen bedeutungsvolle literarische Unikate. In dieser Rubrik widmet sich CarpeGusta Literatur genau solchen Büchern: Werken, die über die bloße Handlung hinausgehen, weil sie von der Ästhetik des Schreibens leben, indem sie durch wohlkomponierte Satz-Arrangements Magie pur erzeugen.
Aus den bereits bei CarpeGusta Literatur rezensierten Romanen haben wir jene ausgewählt, die unserer Ansicht nach herausstechen durch stilistische Raffinesse und expressive Ausdruckskraft.
Heute präsentieren wir Ihnen eine Auswahl der schönsten und prägnantesten Passagen aus dem Roman „Die Gleichzeitigkeit der Dinge“ von Husch Josten:
- „‚Nun, der Tod lächelt uns an‘, legte er los. ‚Er ist das unlösbare Rätsel, das Wissen, das es nichts gibt. Eine grandiose Zumutung, denn er ist auch die absolute Gewissheit. Niemand kommt an ihm vorbei, doch wir wissen nichts über ihn. Wir wissen vieles über das Sterben, aber nichts über den Tod.‘“
- „Es bleibt ein unfassbarer Vorgang. Zu Grabe tragen. Beerdigen. Ein Wort, das vor Hunderten von Jahren an eine Stelle bringen gemein hatte. Welche Stelle? Wir lassen einen Körper in die Erde hinab, auf der wir umherlaufen, und versenken mit ihm ein ganzes Leben. Es endet. Es gräbt sich selbst in die Grube, in die wir es werfen, und der Priester weist uns darauf hin, dass einer von uns der Nächste sein wird.“
- „Aber was wusste man schon vom Leben eines anderen? Was man nicht wusste, war unendlich. Die glücklichsten, die schlimmsten, die beschämendsten, die lustvollsten Erinnerungen gehörten den Toten allein, all das, was sie verdrängt und vergessen und verborgen hatten, gehörte ihnen allein.“
- „… weil dem Tod nichts als Illusionen entgegenzusetzen war.“
- „Und in all ihrer Traurigkeit ist sie zupackend, selbst ihre Trauer nimmt sie in die Hand. Es ist, als würde sie backen … Sie vergisst keine Zutat, knetet und walkt die Traurigkeit, damit sie glatt wird, rollt sie aus, ganz flach und brauchbar, um sie zu verarbeiten.“
- „Sein Tod berührte sie anders, als ich es erwartet hatte. Der Schmerz stand ihr ins Gesicht geschrieben, er schnürte sie ein, aber da war keine Haltlosigkeit in ihr, sondern Akzeptanz, von der ich ahnte, was sie ihr abverlangen musste. Ihre Erinnerungen an gestern und vorgestern und die Tage, die sich anreihen ließen, keine Qual. Das Labyrinth der Trauer, so nannte sie es, jagte ihr keine Angst mehr ein, vielmehr wusste sie, dass jeder Versuch, es zu umgehen, vergebens war.“
- „Schreib gegen die Angst, die wir alle haben, und den Schrecken, dem man nur Fantasie entgegensetzen kann.“
- „Ich sah diese beiden vom Tod umgeben, leben. Als wäre ihre gemeinsame Zeit alles, als wäre ihre Verbundenheit, ihr Interesse aneinander, ihre Leidenschaft füreinander das einzig Bedeutsame und nicht der Beginn der Auflösung. Sie verschlangen und akzeptierten das Leben als den willkürlichen Irrsinn, der es war.“
- „Diesen Irrsinn, als den Sourie den Tod beschrieben hatte und mit dem er viel eher noch das Leben hätte meinen können. Es lächelt uns an. Es ist das unlösbare Rätsel, das Wissen, das es nicht gibt. Eine grandiose Zumutung.“
- „Man muss dem Tod die Tür aufmachen.“
- „Man braucht keine Gabe für den Tod, kein Talent für den Tod. Da ist nichts Spirituelles. Sie wollen einen Sinn? Wer glaubt, Sinn gefunden zu haben, wird für andere anstrengend und überschätzt seine Intelligenz.“
- „Leben ist Wahnsinn. Sterben ist Irrsinn.“