Franz Kafka: ein literarisches Rätsel und menschliches Mysterium

16. September 2024 – Er war ein Sonderling; eigenwillig, in jederlei Hinsicht – menschlich wie literarisch – auffällig unkonventionell und nicht zuletzt deswegen so unglaublich faszinierend und menschlich. Alois Prinz hat in seinem Buch über Franz Kafka „Auf der Schwelle zum Glück“, Insel Verlag, genau diese bislang eher verborgene liebreizende Seite des Ausnahmetalents filigran herausgearbeitet: dass er beispielsweise nicht nur eigenbrötlerisch, sondern auch überaus humorvoll und von erfrischend kindlichem Gemüt war. Diese Biografie ist somit keine nüchterne Erfassung von numerischen Daten. Sie ist vielmehr ein Fest des Schauens in ein komplexes wie herausragendes, ja kafkaeskes Innenleben.

Alois Prinz lässt uns an Kafkas Gedanken und seiner Vita teilhaben, als wären seine Leser seine Freunde. Respektvoll und mit sprachlicher Behutsamkeit erzählt er von den Marotten des Schriftstellers: dass er ein notorischer „Zu-spät-Kommer“ war, gerne nackt vor dem Fenster Turnübungen machte, gelegentlich unter unkontrollierbaren Lachanfällen litt, sich nur zu gern selbstquälerisch gab und an den kleinsten alltäglichen Belanglosigkeiten scheiterte.

Von kleinen Marotten und großen Befindlichkeiten

Sein Körper beschämte ihn. Mit einer Größe von einsachtzig und einem Gewicht von 60 Kilo empfand er sich als zu mager. Mehr essen konnte und wollte er dennoch nicht. Der Vegetarier war durch und durch Asket. Er mochte keine Schokolade, keinen Kaffee, keinen Tee, keinen Alkohol, keine Zigaretten.

Als promovierter Jurist musste sich Kafka mit einem schlecht bezahlten Job bei einer Versicherung abplagen. Sein Vater, jähzornig und herrisch, erwartete vom Sohn schließlich eine gesichtere Zukunft und duldete da (und auch sonst) keinen Widerspruch. Der junge Mann aber hasste seine Arbeit, verrichtete sie nichtsdestoweniger zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Sein wahres Glück definierte er allerdings völlig anders: Franz Kafka wollte schreiben – und zwar nur das! Es finden sich unter den Weltliteraten nur wenige, die so unprätentiös und uneitel waren wir er. Denn Kafka ging es nicht ums Veröffentlichen, nicht um den Ruhm, sondern ausschließlich ums Ergießen seiner Emotionen auf Papier. Dafür brannte er. Mehr noch: Einzig und allein darauf beruhte seine existenzielle Daseinsberechtigung. Um so tragischer entpuppte sich für ihn die Ahnung, dass sein Ziel bloße Wunschvorstellung bleiben könnte.

Kafka und die Frauen

Trost und Zuflucht suchte der Verzweifelte bisweilen in der Liebe. Natürlich würde sie sich einem Outsider wie Kafka nicht so erschließen wie erhofft. Seine „Beziehungen“ beispielsweise mit Felice Bauer oder Milena Jesenská gingen – von wenigen Treffen abgesehen – nicht wirklich über eine Brieffreundschaft hinaus. Kafka korrespondierte mit Frauen zwar voller Leidenschaft und Hingabe, schüttete ihnen sein Herz aus, buhlte um sie, erhoffte sich traute Zweisamkeit. Und doch scheute er vor einer realen Konfrontation mit der Partnerin zurück. Die amourösen Verbindungen zerbrachen.

Der Umtriebene, dem die Angst vor dem Alleinsein die Luft zum Atmen abschnürte, zog sich zunehmend in die selbst auferlegte Einsamkeit zurück. In dieser labyrinthischen, von der Gesellschaft abgetrennten Insel entstanden die Werke, die ihm posthum Weltruhm verschafften.

Im Juli 1923 dann die völlig überraschende Wende und langersehnte Abnabelung vom Elternhaus: Kafka, damals 40 Jahre alt und bereits schwer von Tuberkulose gezeichnet, verliebt sich in Dora Diamant und wagt mit ihr einen Neuanfang. Das ungleiche Paar zieht zusammen nach Berlin. Es ist das erste und letzte Mal, dass ihn ein Hauch von wahrem, realem Leben umweht. Auf der Schwelle zum Glück stirbt der Dichter nur elf Monate später.

Kafka bleibt gerade durch diese spannende Widersprüchlichkeit seiner Person eine eindrucksvolle, rätselhafte Irritation am literarischen Himmel. Wie kaum ein anderer Poet bietet er weiterhin diese undurchsichtige Tiefe, die man als Leser seiner Werke immer wieder versucht ist zu ergründen und vielleicht sogar zu entschlüsseln.

Fazit: Eine Biografie wie ein Museum, hinter dessen Mauern das Porträt Kafkas in ein helleres Licht gerückt worden ist!

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