5. September 2024 – Sie kam 1910 als viertes Kind von Nobelpreisträger Thomas Mann zur Welt. Und damit begann das Leiden von Monika Mann. Sie wurde offenkundig und völlig ungeniert abgelehnt, schlimmer noch: diskriminiert – und das von der eigenen Familie.
Vater und Mutter hielten nichts vom „armen Mönle“, dem „elenden Kind“. Anders als ihr Bruder Klaus und ihre Schwester Erika war sie ihnen zu faul, zu träge, nichtssagend, ohne künstlerisches Talent. Die Eltern Thomas und Katia Mann wollten sie so schnell wie möglich aus dem Haus jagen. Dieses Gefühl des Nicht-Geliebt-Werdens vermittelten der Geächteten nahezu alle aus dem anspruchsvollen Clan. Zahlreiche Briefe und Tagebucheinträge zeugen von diesem extremen Widerwillen ihr gegenüber.
Eine sonderbare Einsiedlerin
Was muss das in ihn nur ausgelöst haben? Nimmt es da wunder, dass sie zur Außenseiterin, zur im Wortsinne sonderbaren Einsiedlerin wurde? Eine, die vieles anfing und fast nichts zu Ende brachte? Oder anders gefragt: Hatte sie angesichts dieser ständigen seelischen Torpedierung überhaupt eine andere Wahl?
Ihr Glück fand die Suchende dennoch – allerdings erst als sie begriff, dass sie so weit wie möglich weg musste vom familiären Epizentrum, in dessen Mitte sie höchstwahrscheinlich mit schwindelerrengender Dynamik so geendet wäre wie fast alle Mann-Sprösslinge: depressiv, drogensüchtig, am Sein leidend. Es verschlug sie überallhin und irgendwann nach Capri, wo sie völlig unerwartet nach dem Tod ihres ersten Mannes die große Liebe fand: einen einfachen Bauern – worüber die pikierten Verwandten natürlich die Nase rümpften. Doch die junge Frau ließ sich nicht mehr beeinflussen, war der smarte Italiener schließlich der Einzige, der sie zu lieben bereit war und ihr Halt gab. Der Rest der Welt dagegen schien weiterhin keinerlei Interesse an ihr zu haben.
Endlich eine Stimme
Erst Kerstin Holzer schenkt dem verträumten Sonderling mit ihrem Buch „Monascella“, dtv, die Anerkennung, nach der sich Monika Mann zeitlebens gesehnt hat und die ihr zweifelsohne gebührt. Auf rund 200 Seiten zeichnet die Autorin ein sensibles, poetisches Porträt, thematisch tiefgründig und mit einem großen Verständnis für einen Menschen, der sich nie Gehör verschaffen konnte und jetzt endlich eine überwältigend schöne Stimme erhalten hat. Noch nie zuvor ist dem Dichterkind eine solche Wichtigkeit zuteilgeworden. Wir lernen in dieser Biografie Stück für Stück das menschliche Panorama einer turbulenten Vita kennen. Mit großer Emphase und unendlicher Einfühlsamkeit erzählt Holzer über diese liebenswerte Außenseiterin, die sich nicht in ein Korsett hineinpressen ließ, in das sie andere so gern gezwängt hätten.
Fazit: Das Ensemble aus Zeitgeschichte, Dokumentation und berührendem Rückblick auf ein verschüttetes Leben machen dieses herzerwärmende Buch zur Entdeckung – nicht nur für Fans der Familie Mann.
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