Die Angst vor den Worten – ein Aufruf zu mehr Mut beim Schreiben!

22. September 2023 – Ein guter Autor ist wie ein Gärtner, der eine öde Landschaft in eine kleine Naturoase verwandelt. Wie er mäht und düngt der Schriftsteller – sinnbildlich – den Rasen, stutzt Bäume und arrangiert Blumeninseln. Dadurch erschafft er ein hübsch akzentuiertes Szenario, das Zuwendung ein- und Zeit erfordert, damit es schließlich zu einer Augenweide heranwächst. Genügt dem engagierten Gärtner sein Anspruch an die kurzlebige Ästhetik nicht und er will Größeres, Auffallenderes erschaffen, wird er das unkonventionelle, couragierte Spiel mit der Fantasie bemühen. Dann kombiniert er vielleicht europäisches mit asiatischem Design, melangiert klassische und traditionelle Elemente, um seiner Grünanlage eine kapriziöse Individualität einzuhauchen.

Wenn Worte glühen, brennen, berühren

Vom Mut zu Neuem lebt auch die Literatur: Berührende, ja herausstechende Prägnanz gilt es zu erschaffen. Vielen Texten fehlt es dazu jedoch an Eigenwilligkeit, an Seele! Sie kommen engmaschig wie ein schmuckloser Wollpullover daher: nach Mustervorlage gestrickt und damit ohne jeden Esprit. Buchstaben reihen sich vollkommen entwurzelt und lustlos aneinander. Sie ergeben zwar Sinn. Doch ihre Wörter und Sätze, die sie am Ende zusammenzimmern, wirken wie trockene Äste eines sterbenden Bäumchens im Wind.

Worte wollen allerdings glühen, brennen, berühren. Sie möchten zünden und gezündet werden zu einer hell leuchtenden Flamme, um das lodernde Feuer guter Literatur zu entfachen.

Das allerdings geschieht nur, wenn dichterisches Schreiben eben nicht nur den vielen handwerklichen Regeln folgt oder sich fast ausschließlich nach einem vermeintlichen Zeitgeist richtet. Kunst setzt voraus, das Vertrauen in die eigenen Ideen zurückzugewinnen, dabei die Angst vor dem Neuen zu verlieren mit dem Ziel, beflügelt und motiviert seinen eingeschlagenen literarischen Pfad zu finden und zu erweitern. Einst gegeißelte Kreativität bricht sich auf diese Weise wieder Bahn und entfesselt den Drang, aus den selbst angelegten narrativen Korsetts auszubrechen: mit ganz einfachen Mitteln wie sublimer Provokation zum Beispiel und eleganter Wort-Jonglage. Dem eigenen Einfallsreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt: Ein lakonischer Erzählduktus wird mit metaphorischer Bildersprache kombiniert, Groteskes bruchstückhaft in eine nüchtern gehaltene Handlung eingeflochten. Völlig unerwartete Sprünge, stilistische und inhaltliche Übersteigerungen und syntaktische Tabubrüche oder Verfremdungen können einem kalkulierten Plot ebenfalls die nötige Würze geben.

Was zunächst wie Störfaktoren anmutet, fügt sich im Ergebnis sanft in den Text ein und erhebt ihn dadurch über das Gewöhnliche. Er wird zu einem lebendigen, vielschichtigen Werk, in das sich der Leser hineinfallen lassen kann und an dem er sich gleichzeitig reiben mag.

Bei europäischen Gärten mit asiatischen Stilelementen dürfte das durchaus ähnlich sein.

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