Die verlorene Schwester: Elfriede und Erich Maria Remarque

8. Oktober 2024 – „Die verlorene Schwester: Elfriede und Erich Maria Remarque“ von Heinrich Thies, Zu Klampen Verlag: Erich Maria Remarques Vita ist bekannt, dachte man zumindest. Doch diese außergewöhnliche, poetisch eindrucksvolle Doppelbiografie wirft ein neues Licht auf den Autor und rückt dabei gleichzeitig das bis dato nebulöse Leben seiner Schwester Elfriede in den Fokus.

Zwiespältige Persönlichkeit zwischen reserviert und großmütig

Er, der wohlhabende, berühmte Schriftsteller flieht 1933 aus der von Nazis unterwanderten Heimat und führt fortan ein extravagantes Dasein im Exil. Von seiner Schwester, die in Deutschland zurückgeblieben ist und der er bis auf wenige Ausnahmen aushilft, will er nicht wirklich etwas wissen. Elfriede schlägt sich mehr schlecht als recht durch ihren Alltag, muss viele Tiefschläge einstecken. Als sie Erich um ein Darlehen bittet, um sich eine Schneiderei zu finanzieren, macht der sich noch nicht einmal die Mühe, ihr abzusagen. In seine ständig neuen Affären dagegen investiert er viel Zeit, Geld und jede Menge Herzblut. Ebenso zeigt er sich großzügig, was die Unterstützung von anderen Emigranten und Flüchtlingen während des Krieges angeht. Gefühlvoll verarbeitet er seine Erfahrungen in seinen Werken, plädiert darin immerzu für Frieden, Menschenrechte und Freiheit.

Ohne Remarque zu diskreditieren, offenbart Heinrich Thies ein dissonantes Verhalten und wie zwiespältig sich dessen Persönlichkeit gibt: auf der einen Seite reserviert bis emotionslos, auf der anderen überaus großmütig. Thies verdeutlicht diesen charakterlichen Missklang allerdings nicht mit anklagenden oder verleumderischen Thesen, sondern allein durch die Kunst der erzählerischen Reduktion, die sich ausschließlich auf Geschehenes beschränken will. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Doppelbiografie eine schnöde Aneinanderreihung von Daten oder Tatsachen ist. Im Gegenteil: Sie schält sich als glanzvoll inszenierte Epik heraus, die sich selbst liest wie ein empathischer Roman von Erich Maria Remarque.

Klappentext:

Am 16. Dezember 1943 wurde die Damenschneiderin Elfriede Scholz nach der Denunziation durch eine Freundin in Berlin-Plötzensee enthauptet – wegen angeblicher »Wehrkraftzersetzung«, aber auch wegen ihres berühmten Bruders: Erich Maria Remarque. Der Autor des Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“, in Nazideutschland verfemt, hielt sich während des Zweiten Weltkriegs in den USA auf und verkehrte mit Emigranten und Filmstars wie Marlene Dietrich und Greta Garbo – wohlhabend, aber entwurzelt. Vom Tod seiner Schwester erfuhr er erst 1946. Heinrich Thies erzählt in lebendigen Szenen die Geschichte von zwei unterschiedlichen Geschwistern im Strudel der Weltgeschichte. Dabei stützt er sich auf zum Teil unveröffentlichte Dokumente wie Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Gerichtsakten.

Ein weiteres biografisches Lesehighlight von Heinrich Thies aus dem Zu Klampen Verlag: „Mein Herz gib wieder her“

Die Doppelbiografie über Lisa und Hermann Löns zeugt von einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte, aber vor allem von einer außergewöhnlichen Frau, die bisweilen im Schatten ihres berühmten, umstrittenen Mannes verweilen musste. Auch dieses Buch lebt von der minutiösen Recherche und der sprachlichen Eleganz des Autors, der faktische Begebenheiten zu einem wahrhaft meisterlichen Prosawerk heranreifen ließ.

Klappentext:

Hermann Löns: Verehrt als Naturpoet und Umweltschutzpionier, verschrien als Kitschautor und geistiger Wegbereiter der Nationalsozialisten. Mehr als 600 deutsche Straßen sind nach dem Heidedichter benannt, seine Werke erreichten Millionenauflagen. Wenig bekannt ist indessen die Frau, mit der Hermann Löns in zweiter Ehe verheiratet war.

Lisa Hausmann-Löns, eine selbstbewusste Frauenrechtlerin und Pazifistin, die nach dem Tod ihres Mannes auch den Nachlass verwaltete. Auf der Grundlage von bisher nicht beachteten Briefen, Dokumenten und literarischen Texten hat Heinrich Thies die ungleichen Ehepartner erstmals in einer Doppelbiografie vor dem Hintergrund geschichtlicher Beben und Umwälzungen einfühlsam porträtiert. Sie zeigt zum einen, wie Hermann Löns nach literarischen und journalistischen Erfolgen, psychischen Krisen und Alkoholexzessen die Balance verlor und in den Krieg zog. Und sie zeigt zum anderen, wie Lisa Löns sich gegenüber ihrem berühmten Mann behauptete – als Übersetzerin, als Autorin und als Mutter des geistig und körperlich behinderten gemeinsamen Sohnes. Im Anhang ist die vergessene Novelle „Largo“ von Lisa Hausmann-Löns nachzulesen.

Über den Autor:

Heinrich Thies, Jahrgang 1953, früher Redakteur und Chefreporter der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, schreibt neben Biografien Romane, Sach- und Kinderbücher. Für seine journalistische Arbeit wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet.

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