7. Februar 2025 – Mit „Am Gravo-Abgrund“ (Heft 2727) lieferte
sie vor rund elf Jahren ihr Debüt ab. Seitdem sind fast 90 weitere Romane fürs Perryversum dazugekommen, größtenteils für die Hauptserie, aber auch für Ableger wie „Atlan“ und „Perry Rhodan Neo“. Fans schätzen Michelle Stern (bürgerlich: Stefanie Jahnke) zudem als „LKS-Tante“: Seit 2014 betreut sie die beliebte „Leserkontaktseite“, ist den Perryanern also näher als die meisten ihrer Kollegen. Bevor sie sich voll und ganz der Schriftstellerei widmete, studierte die heute 46-Jährige Psychologie, Germanistik und Kunstgeschichte – mit einer Abschlussarbeit über „Buffy – Im Bann der Dämonen“.
CarpeGusta Literatur: Was fasziniert Sie persönlich an Perry Rhodan?
Michelle Stern: Ich habe schon früh kurzweilige Romane geliebt, bei denen ich mich neben den Schularbeiten und später den Arbeiten fürs Studium entspannen konnte. Dabei wollte ich gern in andere Welten eintauchen, Neues erleben und über außergewöhnliche Geschehnisse lesen. An der Serie fasziniert mich, dass sie mir das alles bieten kann.
An der Figur Perry Rhodan mag ich vor allem den moralischen Kompass und die unbändige Lust am Abenteuer, zusammen mit Perrys nahezu übersinnlichen Reflexen und Eigenschaften. Es ist eine Figur mit vielen Stärken, aber auch einigen Schwächen. In puncto Familie ist er immer wieder gescheitert und für sein Alter hat er eine verschwindend geringe Zahl an Nachkommen. Auch solche „Mängel“ faszinieren mich. Und sie gehören dazu.
Wie erklären Sie sich den andauernden Erfolg über Generationen hinweg?
Die Serie ist eine Utopie. Es ist der Weg der Menschheit zu den Sternen. Ich glaube daran, dass es letztlich nur sehr wenige Geschichten gibt, die Leser immer wieder lesen möchten. Das Drama „Romeo und Julia“ bietet eine solche Geschichte: eine verbotene Liebe gegen alle Widerstände. In unserer Serie ist diese Geschichte der Aufbruch der Menschheit ins All und das Entdecken kosmischer Geheimnisse.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Serie natürlich gewandelt. Auch das gehört für mich zum Erfolg. Wir stehen in engem Kontakt zu unseren Lesern.
Wer ist Ihre persönliche Lieblingsfigur und warum?
Meistens eine, die gerade in meinem Roman vorkommt! Momentan könnte es Shrell sein, die Antagonistin. Aber auch die anderen Figuren sind interessant und haben einiges zu bieten. Für mich ist es faszinierend, Anteil an diesen Figuren zu haben. Ich kann helfen, sie zu gestalten, und sie entsprechend in Szene setzen.
Wie schwer war es, von der Leserin zur Autorin zu werden und in die Fußstapfen von Clark Dalton und Co. zu treten?
Am Anfang hatte ich viel zu lernen und auch jetzt lerne ich nie aus. Einige unserer Leser sind sehr praktisch veranlagt und geben den Romanen Noten. In diesem Sinn will ich es ihnen hier gleichtun, um Ihre Frage zu beantworten: Ich vergebe auf einer Skala von 1 bis 10 eine 6 für den Schwierigkeitsgrad. Besonders herausfordernd sind für mich Raumschlachten. Selbst wenn Sie relativistische Geschwindigkeiten weglassen – für mich sind sie einfach nicht spannend. Ich muss mir sehr viel Mühe geben, mich da in Leser zu versetzen, denen es anders geht.
Eine weitere Schwierigkeit ist die Menge der vorhandenen Daten. Es gibt diese Serie seit Jahrzehnten. Da den Überblick zu behalten, ist schier unmöglich. Ich bin froh, dass im Verlag und außerhalb Leute arbeiten, die uns Autoren hier helfen, indem alle Romane vor dem Druck noch einmal kritisch gelesen werden.
Ist es nicht auch fast unmöglich, immer wieder Neues im Perryversum zu erfinden?
Es gibt Elemente, die sich wiederholen: übermächtige Gegner, eine große Gefahr. Es muss Spannung entstehen, und auch wenn einige Leser sich das wünschen, entsteht diese Spannung eher durch eine Bedrohung als durch ein gemeinsames Picknick unter intergalaktischen Freunden. Aber in den unzähligen Details lässt sich immer wieder jede Menge Neues erfinden. Die Natur kann hier sehr anregend sein. Wenn Sie tauchen gehen, entdecken Sie ja ebenfalls Lebewesen, die unglaublich fremd wirken. Unsere Welt ist gigantisch und sie bietet uns jede Menge Anregungen.
Wie kann man sich die Arbeit an einem Heft oder an einem Zyklus praktisch vorstellen? Die Abstimmungen untereinander müssen doch ziemlich zeitraubend und schwierig sein!
Es gibt zu jedem Roman ein Exposé. Diese Exposés lese ich und weiß, wer welches davon schreibt. Mit den entsprechenden Autoren stimme ich mich dann ab. Dieser Teil der Arbeit gehört dazu, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Einerseits können so engere Geflechte innerhalb der Geschichte entstehen, andererseits haben Sie recht: Es kostet Zeit und manchmal auch Nerven. Aber wir sind ein gut funktionierendes Team und die Exposéautoren machen ihre Sache hervorragend. Wo es geht, helfen wir einander.
Wie sehr können Sie Ihre persönlichen Ideen bei einzelnen Heften überhaupt umsetzen? Folgt heute immer noch alles einem großen Exposé für ganze Zyklen?
Es gibt einige Kernpunkte in den Exposés. Die müssen erhalten bleiben. Davon abgesehen ist es oft möglich, sehr viel Eigenes einzubringen. Im Grunde ist es immer eine Mischung. Im Exposé steht dann zum Beispiel eine Figur mit der Anmerkung, dass sie nur in diesem Roman vorkommt. Also kann ich sie gestalten, wie ich möchte, samt ihrer Geschichte. Wenn ich andere Vorschläge einbringen möchte, ist das jederzeit möglich. Nur die Anschlüsse und die zyklusrelevanten Elemente müssen stimmen.
Oft verarbeitet die Serie – sozusagen nebenbei – gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Wie hat sich die Serie aus Ihrer Sicht diesbezüglich über die Jahrzehnte entwickelt?
Hm. Ich denke, ich habe hier zu wenig Ahnung, um das zu beantworten. Die Serie startete mit einem Kalten Krieg. Bewusst und unbewusst fließt immer etwas ein. Zuletzt waren es auf der bewussten Ebene Außerirdische namens Panjasen und ihr Drang zur Perfektion.
Es sind eine Vielzahl von Einflüssen, die da wirken. Vor allem die Exposéautoren können sich hier austoben, aber auch in einzelnen Romanen kommen kleinere Themen vor, sozusagen am Rand. Auch das ist eine persönliche Form von Freiheit, die ich als etwas Eigenes einbringen kann. Oft ist das so subtil, dass es vermutlich niemandem auffällt. In meinem aktuellen Roman sind das zum Beispiel ein paar Sätze über die Themen Verhöre und Geständnisse. Oft stolpere ich über etwas, das ich in anderen Büchern interessant finde. In dem Fall war es die Buchzusammenfassung von „Entlarvt!“ von Jack Nasher.
Was würden Sie rückblickend grundsätzlich anders machen, wenn Sie ins Jahr 1961 zurückreisen und Perry Rhodan vollkommen neu konzipieren könnten?
Sollten wir alles tun, was wir könnten? Was wäre das Ergebnis? Könnte ich zurückreisen und würde ich deutlich mehr weibliche Hauptfiguren einsetzen, wäre die Serie erfolglos geblieben! Damals wollten das viele nicht lesen. Es galt und gilt, dass Menschen Angst haben, Privilegien zu verlieren, und dass es ihnen schwerfällt, liebgewonnene, für sie nützliche Ideologien aufzugeben. Frauen am Raumschiffsteuer? „Das kann ja nicht gut gehen … Dafür sind ihre Gehirne zu klein!“
Als Schriftstellerin schreibe ich für die Menschen, die es gibt. An ihnen vorbeizuschreiben, als wären Sie wissendere, gereiftere Menschen aus einer anderen Zeit, ist wenig zielführend. Das heißt nicht, jedes Klischee und jede Angst bedienen zu müssen; doch es braucht ein wenig Fingerspitzengefühl.
Da ich mir also den Erfolg der Serie gewünscht hätte, hätte ich gar nichts anders gemacht. Es hat nun einmal alles seine Zeit gebraucht.
Für wie denkbar, ja wahrscheinlich halten Sie eine Zukunft der echten Menschheit ähnlich wie im Perryversum? Wären die Menschen dazu überhaupt in der Lage?
Sie können mit Physik nicht verhandeln. Wir werden keine Lichtgeschwindigkeiten brechen und mit berggroßen Raumschiffen innerhalb weniger Wochen oder Jahre nach Andromeda düsen. Ob es jemals einen Kernfusionsatomreaktor für die Hosentasche geben wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber bis dahin dürfte noch viel Zeit in unserem Sonnensystem verstreichen.
Ob die Menschheit eine Einheit findet durch eine äußere Gefahr oder Entdeckung wie in der Serie? Auch das wage ich zu bezweifeln. Wir haben ja gerade eine auf Dauer artauslöschende Gefahr in der Atmosphäre winken. Ja, es gibt Einheitsbestrebungen deswegen. Aber wie weit werden sie kommen?
Nichtsdestotrotz hoffen wir, mit der Serie einen Lichtblick zu schaffen und daran zu erinnern, dass wir alle „Terraner“ sind. Wir können eine ganze Menge schaffen – wenn wir den Mut und den Willen entdecken.
Das ist wohl wahr … Wir danken Ihnen für das Gespräch!
Tipp: Lesen Sie noch weitere Kolumnen, Interviews, launige Beiträge und ganz persönliche Einschätzungen in unserer Serie „CarpeGusta Literatur meets Perry Rhodan“!