9. November 2024 – „Texte voller Hoffnung“ wurden anlässlich des CarpeGusta Literatur Awards 2024 gesucht. Unter den zahlreichen Einsendungen stach Prof. Dr. Peter Baeumle mit seiner Kurzgeschichte „Die kleine Echse“ besonders hervor. Die Jury überzeugte die sprachliche Innovation und semantische Umsetzung des Sujets. CarpeGusta Literatur stellt den Autor und seine zauberhafte Gewinner-Kurzgeschichte vor.
Seine Vita in eigenen Worten
„Geboren wurde ich 1960 in Freiburg im Breisgau. Dort besuchte ich zunächst die Karlschule und anschließend das Kepler-Gymnasiums. Schon während der Schulzeit hatte ich Freude daran, Texte zu verfassen und mich in der Redaktion der Schülerzeitung engagiert. Nach dem Abitur war es Zeit für etwas Neues und ich begann mein Studium der Mathematik mit Nebenfach Physik an der Universität Freiburg. Nach erfolgtem Diplom-Abschluss habe ich an der Universität Münster im Bereich der Informatik zum Dr. rer.-nat. promoviert.
Beruflich habe ich als Dozent im Bereich der Erwachsenenbildung am Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe (b.i.b.) in Bergisch Gladbach begonnen. Seit dem Jahrtausendwechsel bin ich dann als Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) tätig gewesen – bis zum Beginn meines Ruhestandes, der mir nun Zeit für schöne Dinge wie das Schreiben von kurzen Geschichten bietet. Neben meinem Berufsleben war ich kommunalpolitisch in Bergisch Gladbach und in Linz am Rhein aktiv. Weitere ehrenamtliche Engagements hatte und habe ich in verschiedenen (Eine-)Welt-Läden und in der Realschule plus in Linz. Aktuell bin ich Schiedsmann der Verbandsgemeinde Linz am Rhein, Rheinland-Pfalz. Dort kümmere ich mich, sofern beide Seiten dies wünschen, um Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen Nachbarn.
Meine beiden schon längst erwachsenen Töchter wohnen zum Glück nicht gar zu weit von mir entfernt, sodass wir uns immer wieder sehen können.“
Das Interview:
CarpeGusta Literatur: Herzlichen Glückwunsch zum CarpeGusta Literatur Award 2024! Können Sie beschreiben, was Sie beim Schreiben Ihrer Kurzgeschichte für den Wettbewerb inspiriert hat?
Vielen Dank, zunächst freut es mich sehr, den Award gewonnen zu haben.
Prof. Dr. Peter Baeumle-Courth: Ich schreibe zurzeit sehr gerne im Rahmen von Literaturwettbewerben, die meist eine thematische wie auch eine formale Vorgabe machen. Das empfinde ich stets als kleine Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Das zentrale Thema Hoffnung Ihres Wettbewerbes hat mich inhaltlich sehr berührt und damit motiviert. Dies mit „maximal 10.000 Zeichen“ umzusetzen, das war für mich ein schöner Rahmen.
Welche Botschaft wollten Sie mit Ihrer Story denn vermitteln?
Mit der kleinen Reflexion über sich selbst und den Beobachtungen der Menschen in der Stadt versucht der Ich-Erzähler der Geschichte sowohl eine Reihe von Problemen aufzugreifen als auch Positives und verschiedene Handlungsmöglichkeiten gegenüberzustellen. Daraus kann Hoffnung und Zuversicht erwachsen – die Erkenntnis, dass auch kleine Schritte etwas bewirken, selbst wenn es „nur“ ein lebendiges Lachen ist, das ein alter Mann an seinem Rollator von seiner jungen Begleitung vernimmt, eine Eidechse, die inmitten der Stadt lebt und ein junges Mädchen erfreut.
Das Leitmotiv des diesjährigen Contest war ja das Sujet Hoffnung. Wie würden Sie dieses Thema mit einem Satz zusammenfassen?
Hoffnung ist die wertvolle, auch sinnstiftende Gabe von Menschen, mit Zuversicht in die nahe wie ferne Zukunft zu blicken, sich nicht erdrücken zu lassen von persönlichen und anderen Schicksalsschlägen.
Glauben Sie, dass unsere in vielerlei Hinsicht gebeutelte Gesellschaft derzeit genau das – Hoffnung – braucht?
Ja, ganz sicher. Gerade in dieser meist als „krisenhaft“ beschriebenen Zeit braucht es Zuversicht und Hoffnung, am besten in Verbindung mit konkreten Ideen, was jede und jeder Einzelne auch bereits „im Kleinen“ tun kann. Ich finde es schöner, eine Patenschaft für einen Baum in der Stadt zu übernehmen als über die Politik oder gleich die ganze Welt zu jammern. Ohne in Naivität zu verfallen, kann ein gewisser „gesunder“ Optimismus wirklich nicht schaden.
Sie selbst schreiben ja wie viele Autoren seit frühester Jugend. Was bedeutet es Ihnen persönlich, sich literarisch auszudrücken?
Für mich ist das Schreiben von Texten eine kreative Freiheit, gleichzeitig so etwas wie ein kleiner, ausgleichender Gegenpol zum Lesen. In meiner beruflichen Zeit habe ich einige Fachbücher verfasst. Auch wenn dort die faktische Seite objektiv gegeben war, so erkundete ich beim Schreiben die Möglichkeiten, Sachverhalte bildhaft oder in Form von anschaulichen Beispielen darzustellen. Jetzt in meinem Ruhestand kann ich mir meine Zeit einteilen; neben alltäglichen Pflichten und ehrenamtlichen Engagements stellt hier das Schreiben eine mußevolle Phase dar, in der ich manche meiner Beobachtungen und Einträge im Notizbuch aufgreifen und in eine textuelle Form bringen kann. Das Wichtigste dabei ist für mich, dass es mir Freude bereitet zu schreiben.
Verstehen Sie das Schreiben von fantasievollen, fiktiven Geschichten als ausgleichenden Kontrast zur Naturwissenschaft? Oder ergänzen sich Mathematik und Literatur vielleicht sogar?
Zunächst lässt Fiktion naturgemäß viel mehr zu als die „harte“ Naturwissenschaft. Insoweit gibt es auf jeden Fall einen solchen Kontrast. Mathematik, streng genommen in ihrer Reinform auch eine Geisteswissenschaft, insbesondere der Bereich der Logik, stellt jedoch – auch unbewusst – Grundlagen der Strukturiertheit und des schlüssigen Denkens bereit, die in meinen Augen wichtig sind für jede Form von Schreiben. Denn auch wenn in einer fiktionalen Geschichte mystische, „unlogische“ Elemente verwendet werden, so gibt es meines Erachtens gleichwohl eine erzählende Struktur, werden an vielen anderen Stellen logisch nachvollziehbare Abläufe dargestellt.
Bislang stammen aus Ihrer Feder „nur“ Kurzgeschichten. Haben Sie auch schon einmal darüber nachgedacht, einen Roman zu verfassen?
Sicher! Ich denke auch über umfangreichere literarische Formen nach; die eine oder andere Idee schlummert auch in der Schublade. Allerdings wäre es vermutlich alleine wegen des zeitlichen Aufwands eine nahezu grundlegende Entscheidung für mich, andere Engagements zu reduzieren. Denn für einen guten Roman braucht es eine gute Portion Zeit voller Konzentration.
Was bedarf es Ihrer Meinung nach, um Menschen mit Literatur zu berühren?
Das ist eine kurze Frage, die ich nicht ebenso kurz beantworten kann, zumal es auch von der Leserin und dem Leser abhängt, was sie oder er an sich heran- oder sogar in sich hineinlässt. Ebenso von Stimmungen, von Orten an und Situationen, in denen gelesen wird.
Ich beziehe die Frage einfach auf mich: Damit ich berührt werde von Literatur, braucht es auf der inhaltlichen Ebene die Möglichkeit, dass ich mich in die Szenen, in die Atmosphäre mit hineinversetzen kann. Meine Vorstellungskraft muss angesprochen werden, auch wenn ich nicht in der Postkutsche des 19. oder dem Raumschiff des 37. Jahrhunderts sitze. Gleichzeitig bemerke ich, dass die formale Ebene – also Aspekte des Schreibstils, der Wortwahl und so weiter – für mich von Bedeutung ist. Wenn mich ein „ewiges Fluchen“ eines Protagonisten „abtörnt“, kann es sein, dass eine im Kern spannende Geschichte mich als Leser verliert. Wenn andererseits das Leben einer Person im ersten Teil einer Geschichte lebendig dargestellt wird, die Person „Farbe“ und „Tiefe“ bekommt wie ein realer Mensch, dann wird das drohende Zugunglück zu einem spannenden, einem wahrhaft berührenden Ereignis.
Haben Sie literarische Vorbilder?
Im engeren Sinne habe ich, denke ich, keine Vorbilder. Natürlich haben mich seit meiner Jugend eine Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern „begleitet“ und teilweise begeistert, ohne dass ich das Gefühl habe, einen bestimmten Stil bewusst übernehmen oder kopieren zu wollen. Inhaltlich begeistert mich etwa Bertrand Russell, dieser in meinen Augen klare, analytische Kopf, der in den mich interessierenden Bereichen der Mathematik, der Philosophie und der Politik geschrieben hat.
Was lesen Sie denn derzeit?
Ich lese recht viele verschiedene Bücher. Im Moment liegt unter anderem „Wendepunkt“ von Klaus Mann auf meinem Nachttisch, seine zweite Autobiografie. Da gibt es thematische Bücher, die zum Beispiel eine zeitliche Epoche wie etwa das Jahrhundert der Physik beschreiben und die mich bei all ihrer Sachlichkeit mit ihrem lebendigen Erzählstil ansprechen. Ebenso gibt es emotional geschriebene, oft biografische Werke, die mich fesseln. Ohne Priorisierung, ohne Wertung sind das beispielsweise „Orlando“ von Virginia Woolf, „Das Phantom des Alexander Wolf“ von Gaito Gasdanow, „Die Kehrseite des Himmels“ von Ljudmila Ulitzkaja und „Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus“ von László Földényi.
Lassen Sie uns dieses kleine Interview mit einem Bonmot abschließen, das Ihr literarisches Credo widerspiegelt.
Literatur stellt für mich einen unverzichtbaren Teil der Kultur, unter anderem auch der Erinnerungskultur unserer Gesellschaft dar. Geschichten, Gedanken, Ideen, Gefühle und sachliche Beschreibungen in Buch- oder anderer Form textuell festzuhalten und anderen zur Verfügung zu stellen – diese Aufgabe der Literatur empfinde ich gleichermaßen als äußerst wichtig wie auch Freude bereitend.
Oder anders formuliert: Wenn ich heute nicht aufschreibe, was ich empfinde, wenn sich der Vogel den Wurm in den Schnabel nimmt und davonfliegt, weiß morgen niemand mehr, dass hier ein Wurm gewesen ist.
Lesen Sie jetzt die preisgekrönte Kurzgeschichte „Die kleine Echse“ in voller Länge!