30. November 2024 – „Ronny
Rieken – Portrait eines Kindermörders“ von Heinrich Thies, Zu Klampen Verlag: Eine Biografie über einen Killer zu verfassen, gehört sicher zu den schwierigsten literarischen Herausforderungen, denen sich ein Autor stellen kann. Eine solch umstrittene Vita niederzuschreiben, kann schließlich zu einem gefährlichen Drahtseilakt werden, insbesondere wenn man dem Täter vis-à-vis gegenübergesessen hat, um sich seine – vermeintlich ungeschönte, möglichst nicht eingefärbte – Version der Geschichte anzuhören.
Wolf im Schafspelz
Und gerade darin besteht die große Gefahr. Es wirft die Frage auf, ob eine solche „Intimität“ zwischen Interviewer und Interviewtem so etwas wie eine sachliche Distanz zum Geschehen überhaupt noch zulässt. Heinrich Thies hat sich dieser diffizilen Aufgabe dennoch gestellt und sie bravourös gelöst. Er traf Ronny Rieken insgesamt zehn Mal im Celler Gefängnis und zeichnet von ihm ein Bild, das die Leser ganz ohne Bewertungen und erhobenen Zeigefinger zu dem Schluss kommen lässt, was das Wesen von Rieken ausmacht: Er ist – pathetisch ausgedrückt – ein Wolf im Schafspelz. Oder plakativer formuliert: ein krudes Monster, das sich nach außen gern als liebevoller Vater, verständnisvoller Ehemann und hilfsbereiter Nachbar gab. Der Verurteilte selbst beteuerte gar nach seiner Festnahme in zahlreichen Briefen an die Familie immerzu, dass die Taten doch so gar nicht zu ihm passen würden. Er könne überhaupt nicht nachvollziehen, wie es zu den zwei Kindsmorden kommen konnte.
Die Entlarvung zwischen Sein und Schein
Sein abscheuliches Verhalten versachlicht er als „das Programm“, das einfach über ihn die Macht ergriffen habe und gegen das er stets machtlos gewesen sei. Was Rieken dabei außer Acht lässt, weil ihm wahrscheinlich die Tragweite und Schwere seines Verhaltens nicht wirklich bewusst ist, ist die Tatsache, dass die beiden Morde „nur“ zwei traurige Mosaiksteine im komplexen Konstruktum namens Ronny Rieken sind. Schließlich ist ihnen eine Vielzahl weiterer Sexualstrafen vorausgegangen. Denn Rieken hatte – salopp gesagt – fast sein gesamtes Leben lang vergewaltigt und schreckte selbst bei seiner Schwester nicht davor zurück, wie ein Tier brutal über sie herzufallen.
Ihm fehle es an Empathie, attestierten ihm die Gerichtsgutachter im Prozess und stuften ihn als „voll schuldfähig“ ein. Seine Prognose sei ausgesprochen düster, urteilten sie weiter. Die Abschlussdiagnose: Für einen derartigen Mangel an Mitgefühl gebe es schlichtweg keine erfolgversprechende Therapie.
Fazit: Eine spannende True-Crime-Story, die sich aus den Aussagen von Ronny Rieken selbst, seinen Verwandten, beteiligten Psychiatern und Polizeibeamten speist, vom Autor mit professioneller Akribie und Reflexion zusammengeflochten
Klappentext:
Im Mai 1998 wird Ronny Rieken, Vater von drei kleinen Kindern, festgenommen. Er soll zwei Mädchen missbraucht und ermordet haben. Der erste großflächige Einsatz eines Speicheltests zur Genanalyse hat die Polizei auf seine Spur geführt. Rieken gesteht sofort, ist kooperativ, bereut anscheinend aufrichtig. Der Fall ist geklärt. Für die Ermittler.
Über den Autor:
Heinrich Thies, Jahrgang 1953, studierte Germanistik, Politik, Philosophie und Journalistik. Er war Reporter bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und ist Autor zahlreicher Bücher, zum Beispiel von „Die verlorene Schwester: Elfriede und Erich Maria Remarque“ und „Mein Herz gib wieder her. Lisa und Hermann Löns“.