9. Oktober 2024 – Solange er lebte und auch weit nach dem Tod seiner engsten Vertrauten, Tochter Anna, wurde Sigmund Freud vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit abgeschirmt. Der große Psychoanalytiker, so das Kalkül, sollte nur mit seinen bahnbrechenden Lehren in Verbindung gebracht werden. Nichts Privates oder Intimes durfte das Denkmal ins Wanken bringen. Sein Privatleben, seine Vorlieben und familiären Zwistigkeiten wären, wenn es nach ihm und seiner Familie gegangen wäre, daher niemals ans Licht gedrungen.
Ein Denkmal mit einer allzu menschlichen Seite
Am liebsten und eigentlich ausschließlich positionierte sich Freud mit strengem Blick und stechenden Augen vor Fotografen, damit sie ihn so ablichteten, wie er sich selbst gern sah und gesehen werden wollte: als resoluten Mann mit Vorbildcharakter, wie jemand, dem man vertraut, zu dem man aufschaut voller Bewunderung und Hochachtung. Da passten einfach keine allzu menschlichen Züge, die ihn womöglich zu etwas Gewöhnlichem gemacht hätten.
Was niemand erfahren durfte und was er nur seinem Tagebuch anvertraute, war beispielsweise die Tatsache, dass er, der unzähligen Patienten aus den Depressionen half, selbst seit frühester Jugend darunter litt und dass er von einer geradezu zwanghaften Sammelwut getrieben wurde, die ihn zuhauf antike Stücke kaufen ließ, um sie in seiner Praxis ausstellen zu können wie in einem Museum. Zudem war er extrem zigarrensüchtig. Er rauchte bis zu 25 Stück am Tag und konnte einfach nicht von ihnen lassen, auch nicht, als er an Gaumenkrebs erkrankte. 33 Operationen musste er sich deswegen unterziehen, auf den Genuss seiner Havannas wollte er dennoch nicht verzichten.
Ferner war der Rationalist Freud über die Maßen abergläubig. Sinn für Sentimentalitäten hatte er kaum. Die gestand er weder sich noch anderen zu. Schwere Verluste wie den Tod seiner Lieblingstochter Sophie etwa, die mit 27 Jahren an Spanischen Fieber starb, machte er allein mit sich selbst aus. Über die Trauer zu reden, wie er es als Therapeut seinen Patienten immerzu gern riet, war ihm einfach nicht möglich. Er schwieg stattdessen, zog sich zurück und führte sein Credo – das „Gespräch als Konfliktlöser“ – somit ad absurdum.
Diese fünf Bücher zeigen weitere unbekannte Facetten dieser großen Persönlichkeit:
Klappentext „Die Tochter meines Vaters“ von Romy Seidel, Piper Verlag
Wien, 1923. Die junge Anna Freud ist hin- und hergerissen zwischen der Hingabe zu ihrem Vater, dem sie Sekretärin und Vertraute ist, und ihren eigenen Plänen: Mithilfe der Analyse möchte sie bedürftigen Kindern helfen.
Der Roman folgt ihr von Wien, wo sie in der Wohnung ihrer Eltern ihre erste Praxis eröffnen darf, bis nach London, wohin die Familie im Krieg emigrierte. Die Flucht vor den Nazis bestimmt das Leben der jungen, ehrgeizigen Anna genauso wie die Abnabelung von ihrem übermächtigen Vater. Schafft sie es, aus seinem Schatten zu treten und ihre eigenen Träume zu leben?
Klappentext „Alltag bei Familie Freud. Die Erinnerungen der Paula Fichtl“ von Detlef Berthelsen, dtv Verlag
Detlef Berthelsen hat in diesem Buch die Lebensgeschichte der Paula Fichtl – erst Dienstmädchen, dann Haushälterin im Hause Sigmund Freuds – aufgezeichnet. Damit liegt zum ersten Mal ein Bericht aus der Privatsphäre der stets um Anonymität bemühten Familie Freud vor.
Klappentext „Martha Freud. Die Frau des Genies“ von Katja Behling, Aufbau Verlag
Wer war Martha Bernays (1861–1951), die gebürtige Hamburgerin, die nach langer, konfliktreicher Verlobungszeit gegen den Widerstand der Mutter den Wiener Arzt Sigmund Freud heiratete und ihn über fünfzig Jahre als Frau und Mutter von sechs Kindern begleitete? Wie fühlte sie sich, die aus traditionsreicher jüdischer Familie stammte, in einem Haushalt ohne religiösen Hintergrund, und wie begegnete sie den Anforderungen, die das aufsehenerregende Wirken ihres Mannes auch an sie stellte? Katja Behling porträtiert diese bemerkenswerte Frau, die durch ihre Treue und Standfestigkeit zum Gelingen dessen beitrug, was von Wien seinen Ausgang nahm und unter dem Namen „Psychoanalyse“ einen weltweiten Siegeszug antrat. A. W. Freud, der Sohn Martin Freuds, erinnert sich seiner Großmutter als einer Persönlichkeit, die mit Umsicht und Tatkraft das Unternehmen Berggasse 19 steuerte.
Klappentext „Der Seele dunkle Pfad. Ein Roman um Sigmund Freud“ von Irving Stone, Rowohlt Verlag
Mit der Entdeckung und Darstellung des Unbewussten in der menschlichen Natur wird der Wiener Arzt Sigmund Freud zu einer der großen Gestalten unsere Epoche. Immer wieder stößt er bei seinen Forschungsreisen zum dunklen Kontinent auf eine lebensbestimmende Macht: die Sexualität. Ein ebenso informativer wie lebhafter Roman über eines der einflussreichsten Genies des 20. Jahrhunderts, geschrieben vom Meister der historischen Biografie: Irving Stone.
Klappentext „Freud für Eilige“ von Irving Stone, Rowohlt Verlag
Der Band bietet raschen Überblick über Freuds große Abhandlungen, seine meisterhaften Essays und die berühmten Fallbeispiele. Der Anhang vertieft das Bild des Gelehrten, der leidenschaftlich gern reiste, eine Passion für Antiquitäten hatte, exzellente Briefe schrieb und gern Gäste um sich scharte.