Passt das Leben in einen Fingerhut? Literarisches Konfekt in ausgewählten Büchern – empfohlen von Chefredakteurin Dr. Maria Zaffarana

8. Oktober 2025 – Wörter sind mehr als nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Ihnen wohnt ein Zauber inne, der durch feingeschliffene Sprache das Gewöhnliche ins Einzigartige verwandelt. Oder anders ausgedrückt: Eine eingängige Melodie lebt von Rhythmus, Gefühl und ausgewählten Noten, die perfekt harmonieren. Sonst berührt Musik nicht. Der Wohlklang eines Textes ertönt durch denselben Feinsinn: Nur wenn das Herz und der Geist abgestimmt werden mit der Leidenschaft für Poesie, entstehen bedeutungsvolle literarische Unikate. In dieser Rubrik widmet sich CarpeGusta Literatur genau solchen Büchern: Werken, die über die bloße Handlung hinausgehen, weil sie von der Ästhetik des Schreibens leben, indem sie durch wohlkomponierte Satz-Arrangements Magie pur erzeugen.

Heute präsentieren wir Ihnen eine Auswahl der schönsten und prägnantesten Passagen aus dem Roman „Die Klippen“ von Olivier Adam:

  • „‚Hier ist die Nacht tief und schwarz wie die Welt.“
  • „Ich bin einundreißig, und mein Leben beginnt. Ich habe keine Kindheit, und von jetzt an ist mir jede recht.“
  • „Manchmal frage ich mich, ob sich alles, was ich vergessen habe, irgendwo eingenistet hat. Ob all die Ereignisse, Wörter, Gefühle und gesammelten Gesten einen Teil von mir ausmachen, eine Art Fundament für mich bilden, oder ob ich auf dem Nichts, auf einem wegsackenden Boden aufgewachsen bin.“
  • „Ich habe meine klarsten Erinnerungen in den vier Wänden eines Sommerhauses zurückgelassen.“
  • „Nach ihrem Tod war sie weiter bei mir, lebte weiterhin mit mir und sättigte jeden Augenblick mit ihrer Gegenwart, jede Parzelle der Luft mit ihrer Erinnerung und dem Mysterium meines lückenhaften Gedächtnisses.“
  • „Aber meine Mutter begnügte sich nicht damit, nachts unter meinen Augenlidern zu leben oder zu sterben, indem sie im Wasser oder im Sand versank.“
  • „In der Stadt hatte ich das Gefühl zu ersticken, und jede ihrer Straßen schien mir mit dem Brandeisen der Erinnerung und des Verlustes gezeichnet.“
  • „Mein Bruder verwandelte sich, indem er sich auslöschte und neu erschuf, und in diesem unumkehrbaren Prozess war ich schon bald das einzige Überbleibsel aus einem vergangenen Leben, das er vergessen wollte.“
  • „Ich wandle auf ihren Spuren, mein Gedächtnis ist wie der Himmel, die über den anthrazitfarbene Wolken ziehen, und meine Kindheit, unter wie vielen Kilo Sand liegt sie verschüttet?“
  • „Eines Tages gestand sie, es sei so praktisch mit mir, ich sei wie ein Grab, in das sie ihre Geheimnisse legen könnte, ich sei so wenig präsent, so wenig konkret und existent, dass man mich nach Belieben füllen und mit mir machen könne, was man wolle.“
  • „Unsere Leben, die für immer in der Menge untergehen, passen in einen Fingerhut. Und auch wenn wir uns nach der Decke strecken, sind wir stets kleiner als wir selbst.“

Klappentext:

Ein junger Schriftsteller vor der dramatischen Kulisse der Felsklippen von Étretat: dort, wo 20 Jahre zuvor seine Kindheit ein jähes Ende genommen hatte, als sich die Mutter zu Tode stürzte. Einzig die Liebe von Claire und die gemeinsame Tochter Chloé erlauben es ihm, die Vergangenheit hinter sich zu lassen …

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