22. Oktober 2025 – Wörter sind mehr als nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Ihnen wohnt ein Zauber inne, der durch feingeschliffene Sprache das Gewöhnliche ins Einzigartige verwandelt. Oder anders ausgedrückt: Eine eingängige Melodie lebt von Rhythmus, Gefühl und ausgewählten Noten, die perfekt harmonieren. Sonst berührt Musik nicht. Der Wohlklang eines Textes ertönt durch denselben Feinsinn: Nur wenn das Herz und der Geist abgestimmt werden mit der Leidenschaft für Poesie, entstehen bedeutungsvolle literarische Unikate. In dieser Rubrik widmet sich CarpeGusta Literatur genau solchen Büchern: Werken, die über die bloße Handlung hinausgehen, weil sie von der Ästhetik des Schreibens leben, indem sie durch wohlkomponierte Satz-Arrangements Magie pur erzeugen.
Heute präsentieren wir Ihnen eine Auswahl der schönsten und prägnantesten Passagen aus dem Roman „Im freien Fall“ von Erich Wolfgang Skwara:
- „Wie anmaßend, das Seltene selten zu nennen, wenn doch nur die eigenen Sinne versagten, wenn die eigene Sehnsucht zu schwach oder zu müde war.“
- „Fast nie wurden die großen Fragen dringlich, das Leben war die stumme Übereinkunft des Schweigens, kein Wissenwollen, keine Auskunft.“
- „Wo war Freiheit? Es gab keinen Ort für sie, sie steckte in uns selber, plötzlich begann sie, Krebszellen gleich, zu wuchern und brachte den an ihr Erkrankten bald zu Tode.“
- „Aber gehörte es nicht zum Wesen der Katastrophe, dass keine denkbare Vorkehrung davor schützen konnte?“
- „Keiner hatte sie ausreichend geliebt, auch er nicht. Vielleicht hatte seine ungenügende Liebe nicht die Schwerkraft geschaffen, sie zu halten.“
- „Natürlich legte Liebe ihren Opfern Ketten an, natürlich sperrte Liebe ihre Opfer in den lichtlosen Kerker, natürlich wusste Liebe nichts von Freiheit.“
- „Krief schuf nicht nur eine eigene Sprache, er schuf auch ein eigenes Schweigen, verwandt mit keiner anderen Stille.“
- „Äußerstes Schweigen in äußerster Nacktheit, das war die Ehe.“
- „Vielleicht war Leben und Weitermachen nur auf diese Weise möglich: Vergiss von Tag zu Tag den Tag.“
- „Spielmann konnte nicht verstehen, warum überall fieberhaft Veränderungen ohne Notwendigkeit vorgenommen wurden, wenn doch der große Rahmen – das Firmament, das Rauschen des Windes in den Bäumen, der Wellenschlag am Strand – uns nirgendwo Überstürzung nahelegt.“
- „Im Zukunftstaumel der Gegenwart sah Spielmann den Widerschein der Pest aus der Vergangenheit, die trotz ihrer Finsternisse vielleicht heller gewesen war als unser Heute.“
- „Die Sehnsucht war ein guter Schmerz – es gab einen solchen –, man musste ihr eine Chance geben. Es war verlockend, vor dem Schmerz davonlaufen, aber dann: Wozu leben?“
- „Verantwortung hatte nichts mit dem Sagbaren zu tun, sie war unvereinbar mit jedem Ehrgeiz, sie besaß bestenfalls eine Schwester: die Einsamkeit. Was für eine schweigsame Verwandte diese war!“
Klappentext:
Spielmann möchte einen Schlussstrich ziehen, zurück nach Europa und sein Leben neu beginnen. Seine Ehe kommt ihm nach Jahrzehnten heillos verfahren vor, ein schweigendes Nebeneinander ohne innere Zusammengehörigkeit. Die Töchter sind erwachsen geworden und haben das Elternhaus längst verlassen. An seine Arbeit bei einer Firma, die Geschäfte mit den Sehnsüchten und Träumen der Menschen macht, glaubt er trotz seines Erfolgs nicht mehr. „Im freien Fall“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der die Kraft findet, sich spät noch einmal die ganz wichtigen Fragen zu stellen, der sich und seine Beweggründe kennt und weiß, was er vom Leben erwarten kann, und das auch will.
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